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Mann in zerstörtem Wohnviertel Kinshasa bei den Überschwemmungen

Den Menschen das Lächeln zurückgeben – für einen Moment

18. März 2024

Überschwemmungen des Kongoflusses führten in der Demokratischen Republik Kongo zur humanitären Krise. Blanchard Ayinza Boke leitet ein Team, das im Februar 500 Familien Hilfe gebracht hat. Er erzählt von Menschen, die sich eine neue Existenz aufbauen müssen, Freudentränen über einen Sack Reis und schwierigen Entscheidungen bei der Hilfsaktion.

Blanchard Ayinza Boke lebt in Kinshasa und koordiniert die Projekte von Connexio develop, dem Hilfswerk der Methodist:innen in der Schweiz. Bereits im Januar hat er Familien im besonders stark betroffenen Viertel Kingabwa in Kinshasa besucht und sich ein Bild von der Situation gemacht.

Verheerende Überschwemmungen
Anfang des Jahres ist der Kongofluss mehr als sechs Meter angestiegen. Mehrere Stadtteile in Kinshasa standen unter Wasser und über ein Dutzend Provinzen sind schwer betroffen. Die Regierung informierte am 5. Januar, dass über 300 Menschen ihr Leben verloren. Rund 43 000 Häuser und über 1000 Schulen wurden zerstört. Die Krise trifft mehr als 300 000 Haushalte.
Weitere Informationen zur seit 1961 grössten Flutkatastrophe in den Berichten von ‎Radio France Internationale (rfi) vom 5. Januar und vom 16. Januar.

Mit dem Einbaum zum Haus

Überschwemmungen gibt es jedes Jahr. «Aber dieses Jahr war das Ausmass ausserordentlich hoch. Wir mussten einen Einbaum nutzen, um zu unserm Haus zu kommen», beschreibt eine Frau die Situation. «Doch wir konnten mit unseren Kindern nicht dortbleiben und mussten das Haus im Stich lassen.»

Viele Familien haben alles verloren und Unterkunft in den Kirchen oder bei Gastfamilien gesucht. Es ist ihnen bewusst, dass das Wohnen nahe am Fluss gefährlich ist; doch sie müssen dort wohnen, weil sie es sich nicht leisten können, anderswo zu leben. Schon in normalen Zeiten haben viele dieser Familien nicht ausreichend zu essen.

Ein wenig Ruhe schenken

Am 16. Februar verteilten ein Team und Blanchard Ayinza Boke in der lokalen Methodistenkirche 500 Nothilfe-Pakete an Familien. Als der Projektleiter ankündigte, was jede Familie bekommt, begann eine Frau laut zu weinen – vor Freude und Erstaunen. Zu einem Familien-Paket gehören unter anderem 5 kg Bohnen, 5 Liter Pflanzenöl, 5 kg Zucker und 25 kg Reis, Salz und auch Seife. Eine sechsköpfige Familie kann davon maximal einen Monat leben. Für diese Frau war es unmöglich, selbst einen Sack Reis von 25 kg zu besorgen.

Im Rahmen der Nothilfe verteilten Freiwillige die Hilfsgüter in der betroffenen Region.
(Foto: Blanchard Ayinza Boke)

Eine andere Frau hatte seit zwei Tagen nichts mehr gegessen. Und eine weitere Frau meinte: «Für heute bin ich ein wenig ruhiger. Zusammen mit meinen Kindern habe ich Unterkunft bei einer Freundin gefunden. Doch wir müssen dort weggehen, weil unsere Anwesenheit für meine Freundin schwierig wird. Ihre Geschwister betrachten uns als Bürde, weil wir bisher nichts zu unserer Versorgung beitragen konnten.»

Wer bekommt Hilfe?

«Es war relativ schwierig, eine Linie zu ziehen, wer zu den verletzlichen und wer zu den verletzlichsten Personen gehört», stellt Blanchard Ayinza Boke fest. Die Nothilfe konzentrierte sich auf Menschen, die im Quartier leben und von den Überschwemmungen betroffen sind. Unter diesen sollten Familien mit schwangeren oder stillenden Frauen, mit älteren Menschen und kleinen Kindern zuerst Hilfe bekommen. Heraufordernd fand er, dass einige Familien nicht vor Ort waren, als sie registriert werden sollten und deshalb keine Nothilfepakete bekamen. Das gab Reklamationen. Diejenigen, die Pakete empfangen haben, wurden aber gebeten, ein wenig mit den anderen zu teilen.

Freiwillige packen an

Freiwillige aus der Methodistenkirche haben im Januar die Bedürfnisse der verletzlichsten Personen aufgenommen. «Das Verteilen der Pakete ist gut und geordnet vor sich gegangen», fasst Blanchard Ayinza Boke zusammen. «Immer 100 Personen wurden in Gruppen zu 20 Personen aufgeteilt und bekamen ihr Paket.» Verantwortlich vor Ort waren der Distriktsvorsteher, der Pfarrer und der Laiendelegierte. Rund 20 Freiwillige haben die Nothilfepakete zusammengestellt, transportiert, beim Verteilen geholfen und für die Sicherheit gesorgt. Sie haben auch die schweren Pakete zu denjenigen Familien getragen, die am Tag des Verteilens nicht dabei sein konnten.

Ihre Spende hilft!
Connexio develop, das Hilfswerk der Methodist:innen in der Schweiz, Connexio develop hat nach den Überschwemmungen einen Nothilfe-Beitrag von CHF 30 000.- geleistet und unterstützt die Methodistenkirche in der DR Kongo auch bei langfristigen gemeinnützigen Projekten.
Connexio develop, Zürich, CH44 0900 0000 1574 7157 9, Vermerk «DR Kongo».
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Schwierig und schön

«Ich war gestresst, weil ich wusste, dass das betroffene Quartier schwierig zu erreichen war. Die kleinen Strassen sind überfüllt von Menschen, und da ist Schlamm und Dreck», erzählt Blanchard Aiyzna Boke. «Ich teilte den Kummer und den Schmerz mit denjenigen, die Nothilfe bekamen. Es sind meine Landsleute. Was ihnen passiert ist, hätte auch mir passieren können. Aber die Freude, ihnen Gutes zu tun, ihnen das Lächeln und die Hoffnung zurückzugeben, wurde im Lauf der Verteilaktion immer grösser. Trotzdem ist es eine schmerzliche Realität, zu sehen, wie diese Menschen unter so schwierigen hygienischen Bedingungen leben, hungern, traurig sind… das tut meinem Herzen weh.»

Ungewisse Zukunft

Wie geht es nun für diese Menschen weiter? Einige konnten schon zurückkehren. Doch es ist schwere Arbeit, aufzuräumen und das Nötige zu desinfizieren, um Infektionen vorzubeugen. Noch immer ist die Gefahr da, dass es zu einer Epidemie kommt mit Krankheiten, die durch das Wasser übertragen werden. Andere müssen noch warten, bis das Wasser, vermutlich in einigen Wochen, zurückgegangen ist. Die Häuser sind meist aus Stroh und viele sind zerfallen. Diejenigen, die keine Häuser mehr haben, werden vorerst in der Kirche oder bei Gastfamilien bleiben. Der Staat hat bisher keine Unterstützung angekündigt.

Nicole Gutknecht, Connexio develop / Blanchard Ayinza Boke
Beitragsbild: Blanchard Ayinza Boke (in der Mitte) bespricht mit dem Pfarrer, wie man die betroffenen Personen auf der anderen Seite der Zone erreicht. (Foto: Blanchard Ayinza Boke)