Eine gute Wahl treffen lernen
3. August 2023
Im Dezember werden in der Demokratischen Republik Kongo ein neuer Präsident und ein neues Parlament gewählt. Besonders für Frauen und junge Menschen ist oft unklar: Wie komme ich zu einem Stimmausweis? Wie weiss ich, wen ich wählen soll? An Seminaren der Methodistenkirche erarbeiten sie sich Basiswissen, um eigenständig zu wählen. Und sie lernen, auch andere zur Wahl zu motivieren.
Frauen und junge Menschen bilden die Mehrheit der Bevölkerung in der Demokratischen Republik Kongo. Doch viele Frauen hatten nie die Möglichkeit, Lesen und Schreiben zu lernen und sie und junge Erwachsene wissen oft wenig über Wahlprozesse. Viele wählen darum nicht oder sind anfällig, manipuliert zu werden. Einige lassen sich von Verantwortlichen aus der Politik zu Unruhen anstiften. Die Methodistenkirche im Zentralkongo will darum im Vorfeld der Wahlen besonders Frauen und junge Menschen gut vorbereiten. Dabei wird sie von Connexio develop unterstützt.
Sorge zum Land tragen
Im März und im Juni wurden in einem ersten Schritt 150 Personen aus drei Kirchendistrikten in Kinshasa in einem je zweitägigen Seminar zu Moderator:innen ausgebildet. Die meisten von ihnen sind Frauen und junge Erwachsene; diese sollen ihr Wissen in ihren Familien und Gemeinden weitergeben. Der methodistische Bischof Daniel Lunge Onashuyaka gibt seine Motivation für dieses Ausbildungsprojekt an den Seminaren weiter: «Tragen wir Sorge zu unserem Land, denn unser Wohl hängt davon ab.» Ihm ist wichtig, dass die Bevölkerung im Kongo selber denkt, wählen geht und sich für Frieden einsetzt, der allen zugutekommt.
Sich Grundwissen erarbeiten
In den Seminaren lernen die Moderator:innen zunächst selbst etwas über die Grundlagen: Welches sind meine Rechte und Pflichten? Was muss ich beim Wählen bedenken? Was kann nach den Wahlen auf uns zukommen wie zum Beispiel Gewalt und Manipulation? Professor Didi Manara informierte zusammen mit weiteren Fachpersonen über grundsätzliche und praktische Fragen zum Wahlrecht. Er ist zweiter Vizepräsident der offiziellen kongolesischen unabhängigen Wahlbehörde, mit der die Kirche eng zusammenarbeitet und seine Teilnahme war ein grosser Gewinn. Die zukünftige Moderatorin Aridane ist dankbar: «Ich kann diese Seminare wirklich empfehlen. Und wir werden alle unser Bestes tun, um diese wichtigen Informationen zu den Wahlen in unseren Quartieren und Gemeinden weiterzugeben.»
Die Stimmkarte eifersüchtig hüten
Damit die Moderator:innen von Juli bis Dezember in den Kirchgemeinden eine Plattform erhalten, hat die Kirchenleitung die Pfarrpersonen vor Ort gebeten, dass sie ihnen 15 Minuten Zeit in einem Gottesdienst geben. Auch an Jugendtreffen und in Frauengruppen sollen sie informieren und zum Wählen motivieren. Dazu haben sie didaktische Tipps, Ideen für Sketches und ein Glossar erhalten, das erklärt: Was ist mit Domizil gemeint? Was ist eine Wahlliste? Die Moderator:innen sollen folgende Schlüsselbotschaften vermitteln: 1. Wählen ist ein Recht, doch man muss eine kluge Wahl treffen. 2. Ich wache eifersüchtig über meine Stimmkarte, damit ich Zutritt zum Wahlbüro habe und die richtige Person für die richtige Aufgabe wählen kann. 3. Keine Begünstigung, keine Fälschungen, kein Wahlbetrug.
In angespanntem Umfeld motivieren
Die Projektverantwortlichen möchten, dass die Moderator:innen auf Fragen eingehen, nicht-direktiv informieren, sensibel sind für allfällige Konflikte und dass sie Verständnis haben, wenn ihr Umfeld kein Vertrauen in den Staat mehr hat. Das sind hohe Anforderungen an die Frauen und jungen Erwachsenen. Auch wenn viele von ihnen Student:innen und gut ausgebildet sind, so müssen sie den komplexen Wahlprozess gut verstanden haben, um in Diskussionen Antworten zu geben. In den Seminaren hörten sie auch, wie wichtig es ist, andere Meinungen gelten zu lassen, Empathie zu entwickeln und wie sie mit schwierigen Personen umgehen können. Denn es ist wahrscheinlich, dass die Moderator:innen auch auf Desinteresse oder Widerstand treffen. Dieses Jahr wurde ein neues Stimmkarten-System eingeführt, das technische Probleme bereitete. Zahlreiche Personen möchten wählen und haben sich um eine Stimmkarte bemüht, aber keine erhalten. Die Stimmung im Land ist generell angespannt, schon Monate vor den Wahlen.
Connexio develop unterstützt die Ausbildung der Moderator:innen finanziell und mit dem Einsatz des Koordinators Jean-Paul Dietrich, der auch an den Seminartagen mitwirkte.
Für eine bessere Zukunft
Die letzten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen fanden im Jahr 2018 statt – dabei gab es grosse Unregelmässigkeiten. Das war für zivilgesellschaftliche Organisationen, die Kirchen und viele Wähler:innen eine grosse Enttäuschung. Doch die katholische Bischofskonferenz und die Vereinigung der evangelischen Kirchen beschlossen, sich nicht entmutigen zu lassen. Gemeinsam mobilisieren sie die Bevölkerung vor, während und nach den Wahlen. Bischof Lunge beschreibt seine Sehnsucht, die er mit den Moderator:innen und vielen Menschen im Kongo teilt: «Ich wünsche mir Wahlen, die demokratisch, fair, glaubwürdig, transparent und friedlich sind und unserem Land Frieden bringen.»