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Während der Wahl im Kongo Strasse in Kinshasa

Nach den Wahlen im Kongo: Unzufriedenheit und neue Krisen

23. Januar 2024

Die Bevölkerung in der Demokratischen Republik Kongo hat am 20. Dezember gewählt. Felix Tshisekedi wurde bescheinigt, mit 73,34% der Stimmen als Präsident wiedergewählt worden zu sein. Doch: Viele konnten gar nicht wählen und sind frustriert; die Opposition fordert Neuwahlen. Und Überschwemmungen des Kongoflusses führen zu einer humanitären Krise.

Blanchard Ayinza Boke lebt in Kinshasa und koordiniert die Projekte von Connexio develop, dem Hilfswerk der Methodist:innen in der Schweiz. Am Tag der Wahlen stand er fünf Stunden in der Warteschlange und wollte seine Stimme abgeben. Dann machte das Wahlbüro zu.

Nachfolgend berichtet er von Wahlurnen, die im ganzen Land verteilt werden mussten und wie er den Wahlprozess und dessen Folgen bewertet. Er erzählt auch von Menschen, die jetzt in seiner Nähe mit den Folgen der Überschwemmungen kämpfen.

Mit Helikopter und Einbaum

«Unser Land ist so gross wie Westeuropa und verfügt über wenig Strassen. Die Wahlzettel, Wahlurnen und Wahlmaschinen mussten mit Fahrzeugen, zu Fuss, mit Hubschraubern, Einbäumen und Motorrädern in alle der 75’000 Wahlbüros verteilt werden», beschreibt Blanchard Ayinza Boke die logistische Herausforderung der Wahlzentrale vor den Wahlen. Vorgesehen gewesen sei auch, dass Kongoles:innen aus den USA, Frankreich, Belgien und Südafrika wählen könnten. Die 40 Millionen Wahlberechtigten haben ausser dem Präsidenten auch nationale, provinzielle und lokale Vertretungen gewählt. Dafür sind 100’000 Kandidierende und 700 Parteien zur Auswahl gestanden.

Organisiertes Durcheinander

Die Qualität und Resultate der Wahlen werden von der Bevölkerung und nationalen und internationalen Verantwortlichen unterschiedlich bewertet. «Diese Wahlen sind als ein komplexer und von vielen Personen auch als ein chaotischer Prozess wahrgenommen worden», so Blanchard Ayinza Boke. Der katholische Kardinal Fridolin Ambongo habe den Wahlprozess als «ein gigantisches und organisiertes Durcheinander» beurteilt. Die katholische und protestantische Kirche habe rund 24’000 Personen zur Beobachtung der Wahlen organisiert und damit das Verdienst, die grösste Akteurin im Beobachtungsprozess gewesen zu sein.

Unregelmässigkeiten und Wut

«Nur enttäuschende 43% der Bevölkerung haben schlussendlich gewählt. Die Präsidentenwahl hinterlässt bei vielen einen bitteren Nachgeschmack und viel Frustration», ist das Fazit von Blanchard Ayinza Boke. Berichte zur Wahlbeobachtung würden folgende Tatsachen bezeugen: Fast 60% der Wahlbüros hätten verspätet geöffnet, viele hätten geschlossen, während Personen noch in der Warteschlange stünden. Wahlmaschinen seien ausgefallen, es habe Probleme mit den Stimmkarten gegeben. In einigen Wahllokalen sei es zu Schlägereien gekommen, weil die Menschen nach stundenlangem Warten müde gewesen seien oder ihren Namen nicht auf den Wahllisten hätten finden können.

Neuwahlen gefordert

«Nachdem die vorläufigen Ergebnisse der Parlamentswahlen am 14. Januar verkündet wurden, macht sich unter den Wahlkandidaten und sogar in der Präsidentschaftskoalition Unmut breit, weil die Ergebnisse als gefälscht bezeichnet werden und nicht mit den Ergebnissen der Wahlurnen übereinstimmen», berichtet Blanchard Ayinza Boke zur Situation nach den Wahlen. «Führende kongolesische Oppositionspolitiker haben die vorläufigen Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen angefochten. Sie fordern die Organisation von Neuwahlen nach einer kurzen Übergangsphase, auf die sich ihrer Meinung nach die politischen Führer des Landes einigen müssten.»
Die offizielle Wahlbehörde CENI hat die Vorwürfe indirekt bestätigt.

 

Mehrere Krisen

Wird es nun an vielen Orten lautstarke Demonstrationen geben? Blanchard Ayinza Boke verneint: «Viele Menschen haben Hunger. Wer nichts zu essen hat und jeden Tag schauen muss, wie er seine Familie versorgt, hat nicht die Kraft, zu demonstrieren.» Seine Einschätzung ist, dass die derzeitigen Machthaber in einer Legitimitätskrise sind. «Wenn sie nicht bewältigt wird, kann sie den Weg für politische Instabilität, Unsicherheit, Aufstände und Gewalt ebnen.» Es sei wichtig, dass die Regierung auf die sozioökonomischen Probleme der Bevölkerung antworte.
Anfang Januar ist für die Menschen in der DR Kongo eine weitere Krise dazu gekommen: Der Kongofluss ist mehr als sechs Meter angestiegen. Mehrere Stadtteile in Kinshasa stehen unter Wasser und Gemeinden in über einem Dutzend Provinzen sind schwer betroffen.

Gefahr von Epidemien

Blanchard Ayinza Boke hat einen der Stadtteile besucht. Er hat Menschen angetroffen, die knietief im Wasser waten, ihre Kleinkinder auf dem Arm halten und versuchen zu retten, was noch möglich ist. Er beschreibt das Ausmass der Katastrophe: «300 Menschen verloren ihr Leben, rund 43’00 Häuser wurden zerstört, dazu über 1000 Schulen. Strassen können nicht mehr passiert werden. Betroffen sind auch Gesundheitszentren und Märkte. Die Krise trifft mehr als 300’000 Haushalte. Und es steigt die Gefahr, dass es zu einer Epidemie kommt mit Krankheiten, die durch das Wasser übertragen werden.» Connexio develop prüft zurzeit Möglichkeiten zur Nothilfe.

 

Text: Blanchard Ayinza Boke / Nicole Gutknecht
Das Beitragsbild zeigt eine Strasse in Kinshasa während der Wahlen 2023/Foto: Blanchard Ayinza Boke, privat

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Connexio develop hat im Vorfeld der Wahlen Seminare unterstützt, an denen Moderator:innen ausbildet wurden. Diese Personen, meist Frauen und junge Menschen, haben sich Basiswissen zu Fragen rund um die Wahlen erarbeitet und ihr Wissen in ihren Familien und Gemeinden weitergegeben.

Connexio develop unterstützt die Methodistenkirche in der DR Kongo sowohl bei langfristigen gemeinnützigen Projekten wie auch durch Hilfe in akuten Notsituationen. Die Unterstützung wird mit finanziellen Beiträgen und dem Einsatz des Koordinators Blanchard Ayinza Boke geleistet.

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