Blau und Gelb sind die Farben der Ukraine. Blau steht fĂŒr die Weite des Himmels, Gelb fĂŒr die ebenfalls fast unendlichen Weizenfelder. Um die Ukraine zu beschreiben, wĂ€re noch die Farbe Schwarz zu nennen: Im SĂŒden erstreckt sich das Schwarze Meer â das Tor zur weiten Welt. Â
Die Ukraine muss ein faszinierendes Land sein. Ich beschliesse, auf Silvester 2021/22 hinzufliegen. Vor der Reise nach Kyiv habe ich diesen Eindruck vom Land: Eine aufstrebende Wirtschaft, ein buntes kulturelles Angebot, die Lebensfreude der Menschen. Allerdings ziehen dunkle Wolken am Horizont auf. Seit dem Herbst 2021 ist ein Truppenaufmarsch Russlands zu beobachten. Bereits vor Weihnachten glaube ich nicht mehr, dass dies nur eine Drohkulisse ist. Zu meinen Reisevorbereitungen gehört es nun auch, mir meine Reaktion im Ernstfall zu ĂŒberlegen. Der Ernstfall wĂ€re ein Einmarsch.  Ich lege mir eine Fluchtroute zurecht
Die Reise ist letztlich nicht zustande gekommen. Eine Krankheit hat meine PlĂ€ne zunichte gemacht. Aber ich werde sie nachholen. Ich will diesen Menschen begegnen, die unterdessen drei Jahre Krieg hinter sich haben. Sie haben vieles verloren, aber eines nicht â ihre Hoffnung.
Im Februar 2022 ist der Ernstfall eingetreten. Russische Truppen marschieren in die Ukraine ein. Es beginnt eine Fluchtbewegung nach Westen. Ich möchte etwas fĂŒr die Ukrainerinnen und Ukrainer bei uns in der Schweiz tun. Der Verein HumanitĂ€re Nothilfe sucht im September 2022 fĂŒr drei Monate einen GeschĂ€ftsfĂŒhrer fĂŒr seine Hilfsaktionen. So nebenbei ist ein Schulbetrieb aufzubauen. Das scheint mir die richtige Aufgabe fĂŒr den Einstieg zu sein.
Ich bleibe in dieser Arbeit. Ab Januar 2023 kann ich mich ganz dem Schulbetrieb im Tageszentrum in Sevelen widmen. Das Angebot wĂ€chst. Mit starker Förderung des Kantons werden die Sprachkurse dreistufig organisiert. Ein besonderer Fokus liegt beim EinĂŒben des Sprechens. Hinzu kommt ein Malkurs fĂŒr Kinder. FĂŒr Helfende wird ein Kurs in ukrainischer Sprache auf die Beine gestellt. Im Kochclub können soziale Kontakte gepflegt werden. Hier wird in meist fröhlicher Runde zusammengesessen.
In der Leitung des Zentrums tauchen neue Fragen auf. Die Lehrpersonen engagieren sich enorm, selbst ĂŒber die Weihnachts- und Neujahrstage. Das ist wichtig, doch besteht die Gefahr des Ausbrennens. So fĂŒhre ich kursfreie Wochen ein. Schliesslich einigen wir uns im Team darauf, den Ferienkalender der Volkschule zu ĂŒbernehmen. Es braucht diese UnterbrĂŒche. Die Lehrpersonen können durchatmen, bei den Lernenden sich der Stoff setzen. VerstĂ€rkt achten wir auf die mentale Verfassung der Kursbesucherinnen und Kursbesucher. Jede Woche ist eine psychologische Fachkraft im Haus. Sie muss nichts tun, ist einfach da und hört zu. So wird sie fĂŒr viele zu einer wichtigen StĂŒtze.
Im Tageszentrum feiern wir, als die ersten Absolventinnen und Absolventen eine Arbeitsstelle finden. Der Schulbetrieb wird grösser, das Angebot differenzierter. Wir beginnen, ukrainische TrainĂ©es als Unterrichtsassistenzen einzustellen. Das ist fĂŒr sie selber ein sprachlicher Booster. Zugleich eröffnet dies neue methodische Möglichkeiten in den Kursen. Bald besteht das Team zur HĂ€lfte aus unseren frĂŒheren SchĂŒlerinnen und SchĂŒlern. Ăber eine akkreditierte Sprachschule werden sie in ihrer UnterrichtstĂ€tigkeit geschult. Nach einem Kursdurchgang erhalten sie ein Diplom. Es macht Freude, ein solches Papier in den HĂ€nden zu halten. Zugleich wĂ€chst die Hoffnung, eine angemessene Anstellung in der Schweiz zu finden. Rund 60% der Ukrainerinnen und Ukrainer haben ein Studium absolviert. Beim aktuellen FachkrĂ€ftemangel muss es doch möglich sein, seine eigenen FĂ€higkeiten einsetzen zu können.
Das Tageszentrum Ukraine in Sevelen ist aus der spontanen Hilfsbereitschaft nach Kriegsausbruch entstanden. Der Anstoss dazu kam von GrossrĂ€tinnen und GrossrĂ€ten der St. Galler Politik. Dies hat eine grosse Welle der SolidaritĂ€t ausgelöst. Ich stiess ein halbes Jahr spĂ€ter dazu. Nach zweieinhalb Jahren Einsatz gebe ich die Leitung des Zentrums ab. Der Kursbetrieb wird von einer Stiftung mit Sitz in Buchs weitergefĂŒhrt. Diese hat in allen Bereichen breitere Möglichkeiten zum Fördern und unterstĂŒtzen.
Die Arbeit im Tageszentrum war intensiv, spannend und bereichernd. Wahrscheinlich setze ich mich irgendwann hin und schreibe ĂŒber meine Erlebnisse ein Buch. Den Titel habe ich bereits: Sevelen â Unterwegs im westlichsten Dorf der Ukraine.
Ueli Frei arbeitet in der Methodistischen Kirche fĂŒr das Archiv und die Bibliothek, betreut die methodistische Bibliothek in Lausanne und ist im Board of Directories,des United Methodist Publishing House in Nashville.
Er ist GrĂŒnder von ARCHPUNT und arbeitet derzeit an einer Biografie ĂŒber Bischof John L. Nuelsen.
Der Krieg dauert an, die Menschen leben in Ungewissheit und es fehlt nach wie vor an Allem.
Und selbst wenn der Krieg endet, sind die MisstÀnde nicht behoben.
Deshalb ist das Land noch immer auf Hilfe angewiesen
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