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Nach der Wahl: «Wir schauen mit Sorge nach Argentinien»

5. Dezember 2023

Am 19. November wurde Javier Milei zum Präsidenten gewählt. Was bedeutet dies für das Land? Wo steht die Methodistenkirche? Roman Gnägi, Programmberater für Argentinien, gibt eine erste Einschätzung und findet es wichtig, die Menschen in Argentinien gerade jetzt weiter zu unterstützen.

Roman Gnägi und Flavia Contreras koordinieren seit dem 1. September die Projekte in Südamerika von Connexio hope und Connexio develop, den Organisationen für kirchliche Zusammenarbeit und Entwicklungszusammenarbeit der Methodist:innen in der Schweiz. Sie stehen in gutem Austausch mit den Partnerorganisationen in Argentinien.

Kontroverse Wahl

Javier Milei wurde mit einem Stimmanteil von 56 Prozent zum Präsidenten Argentiniens gewählt. Er hat ein kontroverses politisches Programm vorgelegt, das unter anderem die «Dollarisierung» der Wirtschaft und die Abschaffung zahlreicher staatlicher Institutionen vorsieht. Ausserdem will er den individuellen Waffenbesitz erleichtern und das Recht von Frauen auf Abtreibungen rückgängig machen. Er leugnet den menschlichen Einfluss auf den Klimawandel.

Anhaltende Krisen

«Wir beobachten mit Sorge die neuesten Entwicklungen in unserem Partner- und Projektland Argentinien», meint Roman Gnägi. Argentinien erlebe in den letzten Jahren grosse politische und soziale Turbulenzen. Wie SRF berichtet, ist der Staat bereits seit fünf Jahren hochverschuldet, was zu einer für die Bevölkerung katastrophal hohen Inflation von jährlich 100 Prozent und mehr geführt hat. Besonders alarmierend sei, dass in diesem vormals reichen Land der Anteil der Bevölkerung, der als arm gilt, auf über 40 Prozent angewachsen ist.

Unsichere Zukunft

Aufgrund der radikalen Ideen und Forderungen des neuen Präsidenten sieht das Land damit einer unsicheren Zukunft entgegen. Bereits zeigt sich, dass die Inflation statt einer Beruhigung weiter ansteigt, was eine Erschwerung der wirtschaftlichen Krise wahrscheinlich macht.

Enorme Unzufriedenheit

Warum wurde Javier Milei gewählt? Roman Gnägi vermutet: «Im Licht der erschreckenden wirtschaftlichen und sozialen Statistiken in Argentinien überrascht es nicht, dass die nationale Politik stark polarisiert ist. Es äussert sich eine enorme Unzufriedenheit gegenüber dem traditionell tonangebenden politischen Establishment.» Die Zurückweisung traditioneller politischer Kräfte würde mit dem rasanten Aufstieg des Rechtspopulisten Javier Milei zum Starpolitiker eindrücklich demonstriert.

Kirchen für Gerechtigkeit

Angesichts der oft hetzerischen Parolen Mileis hat die Methodistenkirche in Argentinien sich vor den Wahlen gemeinsam mit anderen evangelischen Kirchen öffentlich für eine humanere Politik ausgesprochen. Die Kirchen sind solidarisch mit den Benachteiligten und schreiben in der Stellungnahme: «Wir fordern ehrliche Praktiken und eine Politik, die folgendes fördert: Gerechtigkeit und soziale Eingliederung, die Umverteilung des Reichtums, den Wert der Löhne, den öffentlichen Zugang zu Gesundheit, Wohnung und Bildung, Arbeit unter würdigen Bedingungen und Sicherheit.»

Würde stärken

Weiter hält das Statement fest: «In Jesus Christus sind alle Menschen, ohne Unterschied, in ihrer Würde geschätzt und geachtet. Deshalb sind Äusserungen und Haltungen des Hasses und der Diskriminierung von Frauen und Minderheiten unzulässig.» Die Kirchen wollen, dass ein Dissenses auf dem Weg des Dialogs überwunden wird. In der Demokratie gebe es politische Gegner, keine Feinde. «Jeder Versuch, Andersdenkende zu eliminieren, entmenschlicht uns als Gesellschaft.»

Ihre Spende hilft
Die Methodistenkirche in Argentinien setzt sich für soziale Gerechtigkeit, das Recht auf Migration, Klimagerechtigkeit und Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern ein. Sie thematisiert die verschiedenen Aspekte von Gerechtigkeit in Seminaren, online-Foren für Jugendliche und mit Kurzvideos und Studienmaterialen.
Connexio hope, Zürich, CH09 0900 0000 1574 7657 4 «Argentinien»
Die Lechería de la Solidaridad unterstützt in einem Armutsviertel von Buenos Aires Kinder und Jugendlichen dabei, ihre Fähigkeiten zu entdecken und zu entfalten.
Connexio develop, Zürich, CH44 0900 0000 1574 7157 9 mit Vermerk «Lechería»

Familien unterstützen

In der schwierigen und unsicheren Situation in Argentinien leistet die von Connexio develop unterstützte Organisation Lechería de Solidaridad wichtige Arbeit. Sie bietet Kindern und Jugendlichen aus einkommensschwachen Familien einen Ort zum Austausch und zum Lernen sowie Zugang zur therapeutischen Begleitung. Kleine, auf Spenden angewiesene Organisationen wie die Lechería haben ausgerechnet in diesem entscheidenden Moment mit schwindenden Einkünften wegen der Wirtschaftskrise zu kämpfen.

Das Möglichste tun

«Als Team von Connexio werden wir die Situation in Argentinien weiterhin mit grosser Aufmerksamkeit beobachten. Wir wollen unser Möglichstes tun, um die wichtige Arbeit vor Ort durch diese schwierige Zeit hindurch zu unterstützen,» betont Roman Gnägi. «Für das kommende Jahr hoffen wir auf eine Besserung der Situation und dass die Bevölkerung Argentiniens Auswege aus ihrer politischen Polarisierung und einen konstruktiven Weg in die Zukunft findet.»

Nicole Gutknecht, Connexio hope and develop
Beitragsbild: Javier Milei am VIVA22 Festival. (Foto: Vox España, flickr.com, CC0 1.0)