«Migrantin sein bedeutet für mich, Angriffsfläche zu sein»
3. Oktober 2023
Vom 4. bis 7. September hat sich der Weltrat Methodistischer Kirchen (WMC) in Manila getroffen. Ziel war es, mehr über Migration zu lernen und herauszufinden, wie Methodist:innen möglichst gut solidarisch handeln können. Wichtig waren dabei Stimmen wie diejenige von Maliva Excellent.
Fast jedes Land der Welt ist von Migration betroffen. Mehr als 135 Millionen Menschen leiden an den Folgen der Migration. Viele von ihnen flüchten vor Kriegen, Klimakatastrophen, politischer oder religiöser Verfolgung und suchen Sicherheit. Die 25 Teilnehmer:innen der Konsultation des WMC kamen aus 20 Ländern. Sie beteten, diskutierten, studierten die Bibel und dachten über die Ursachen von Migration nach. Sie hörten Erlebnisberichte von Migrant:innen und überlegten, wie sie diese am besten unterstützen können. «Wir lernten, dass die sogenannte Migrationskrise in erster Linie eine Willkommenskrise ist», hält der Schlussbericht fest.
Eine Willkommensgeschichte
Maliva Excellent ist eine junge Frau aus Haiti, die vor sieben Jahren allein nach Argentinien migriert ist. Ihre Geschichte, die sie an der Konsultation und mit Connexio develop, dem Hilfswerk der Methodist:innen in der Schweiz teilt, ist auch die Geschichte einer Kirche, die willkommen heisst und Gutes bewirkt. Eigentlich wollte Maliva an der Universität in Port-au-Prince studieren. Doch die Hauptstadt von Haiti ist auch bekannt als gefährlichste Stadt des Landes: «Meine Mutter war dagegen», meint sie. «Nichts ist sicher dort.»
Dann bot sich die Chance, in Argentinien zu studieren. Sie sei in ein vergleichsweise stabiles Land migriert und habe gute Menschen kennengelernt. «Doch bei weitem das Beste, das mir passiert ist, war, dass ich in Almagro eine methodistische Familie und eine Gemeinde getroffen habe», erzählt die junge Frau.
Wie eine Schwester
Protestantisch aufgewachsen, sei ihr auch in Haiti die Kirche wie eine erweiterte Familie gewesen. In der methodistischen Gemeinde, die sie nach einigem Suchen in Argentinien gefunden hat, mag sie besonders die Bibelstudien, die Menschen, die Jugendaktivitäten und dass sie ihre Kulturen miteinander teilen. Am Sonntag habe sie nun einen Grund aufzustehen. «Ich habe mich in der Methodistenkirche praktisch vom ersten Moment an wie zuhause gefühlt», erinnert sie sich,
«Ich bin Gott so dankbar, dass ich ihn loben kann, und spüre: Wir sind wie Schwestern und Brüder.» Sie war nach kurzer Zeit so gut integriert, dass die Methodistenkirche in Argentinien sie als Delegierte nach Manila schicken wollte. Leider hatte sie Schwierigkeiten auszureisen und konnte nur kurz online teilnehmen. Sie freut sich trotzdem, ausgewählt worden zu sein und wird ihre Erfahrungen beim nächsten Gemeindetreffen mit Jungen und Migrant:innen teilen.
Zerreissender Abschied
Maliva hat ihr Lizenziat an der kaufmännischen Schule abgeschlossen, gibt Sprachkurse und hat eine gute Stelle in Argentinien gefunden. Dafür ist sie dankbar. Trotzdem fehlt ihr die Familie: «Ich liebe mein Land. Doch ich war praktisch gezwungen es zu verlassen, um meinen Träumen zu folgen.»
Am Tag ihrer Abreise habe sie sich von ihrer Grossmutter verabschiedet. Diese habe ihr zugesagt: «Habe keine Angst, es ist nur ein ‹auf Wiedersehen›, kein Abschied. Ich bin stolz auf dich. Folge deinen Träumen, weine nicht und geh mit Gott.» Fast wäre sie nicht abgereist. «Solche Momente zerreissen einen und man erlebt sie, wenn man sein Land verlässt und nicht weiss, ob man seine Familie wiedersieht.» Ihre Grossmutter ist gestorben. Maliva hat sie nicht nochmals sehen können.
Mensch sein
Was heisst es, Migrantin zu sein? Was würde Maliva den Kirchen raten, die mit Migrant:innen arbeiten? «Migrantin sein bedeutet für mich, Angriffsfläche zu sein», sagt die junge Frau. «Bitte denkt als Gemeinden immer daran, dass wir alle zusammen Menschen sind aus Fleisch und Blut, nichts mehr, nichts anderes.»
Ausser Maliva teilten auch andere Personen an der Konsultation ihre Erfahrungen: Philippinische Arbeitsmigrant:innen und Menschen von den pazifischen Inselstaaten, die wegen des Klimawandels ihre Heimat verlassen mussten. Ivan Abrahams, der Generalsekretär des WMC, fasst zusammen: «Es war inspirierend, zu hören, was in der «weltweiten Gemeinde» geschieht – im Guten wie im Schweren.» Es sei nochmals deutlich geworden, dass alles in dieser Welt miteinander zusammenhänge. «Wenn ein Staat niest, erkälten wir uns alle», so sein Fazit. «Deshalb müssen wir handeln, und zwar jetzt.»
Sich bewegen!
In ihrem Statement riefen die Teilnehmer:innen der Konsultation den WMC und die Mitgliedskirchen auf, ihre Beteiligung an den Gründen, die Migration verursachen, abzubauen. Sie sollen sich darauf besinnen, dass die Bibel aufruft, alle Fremden willkommen zu heissen und solidarisch mit ihnen zu leben.
Im August 2024 findet die World Methodist Conference in Göteborg (Schweden) statt. Das Thema heisst: «On the move» – «in Bewegung». Viele Menschen im globalen Süden seien in Bewegung. Deshalb sei auch Gott in Bewegung mit seinem Volk. Auch die Kirche müsse sich bewegen, schreiben die Konferenzverantwortlichen.