«Mein Sohn fragt jeden Tag, ob der Krieg jetzt fertig sei»
Mit dem Einfallen der Rebellengruppe M23 Ende Januar ist das Leben im Ostkongo unvorstellbar schwierig geworden. Blanchard Aynza Boke gab im Mission Talk vom 6. Mai online Einblick in das Alltagsleben der Menschen. Er sprach über Friedensinitiativen und Hintergründe der Konflikte und erzählte, was ihm Hoffnung gibt.
Blanchard Ayinza Boke koordiniert in der Demokratischen Republik Kongo die Programmarbeit von Connexio hope und Connexio develop. Er lebt mit seiner Familie in Kinshasa und hat regelmässig Kontakt zu Menschen im Ostkongo.
Angstvoller Alltag
Am 25. April unterzeichneten die Regierungen der DR Kongo und Ruanda eine Grundsatzerklärung für ein Abkommen zur Förderung des Friedens und der wirtschaftlichen Entwicklung in der Region der Grossen Seen. Bis zum 2. Mai hätte ein Entwurf für ein Friedensabkommen ausgearbeitet werden sollen. Im Ostkongo herrscht Waffenstillstand. Dieser ändert nichts daran, dass die Rebellengruppe M23 und andere Gruppierungen weiterhin Terror in der Region verbreiten. Es wird täglich von bewaffneten Raubüberfällen, Vergewaltigungen, Entführungen von Jugendlichen für die Rekrutierung und von Tötungen berichtet. «Die Menschen haben Angst und können nicht mehr richtig schlafen in der Nacht», berichtet Blanchard Ayinza Boke. Auch in Kinshasa verbreiten Banden Angst und Schrecken mit Raubüberfällen am helllichten Tag und Messerattacken. Dazu kommt, dass es seit Monaten kein fliessendes Wasser mehr gibt und oft der Strom ausfällt. «Das Leben ist anstrengend geworden. Wir müssen jeden Tag für Wasser anstehen. Aber natürlich ist es kein Vergleich zu dem, was Menschen im Ostkongo erleiden müssen.»
Um Frieden ringen
Wann wird es endlich besser? Sein Sohn frage jeden Tag: «Was ist mit dem Krieg, ist der nun fertig?», erzählt Blanchard Ayinza Boke. Die Sehnsucht nach Frieden ist in der Bevölkerung gross und die Bemühungen dafür sind vielfältig. Eine kleine Initiative ist das Friedensprojekt in Uvira, das von Connexio develop unterstützt wird. Unter anderem bepflanzen Frauen, die aus Ethnien kommen, die miteinander in Konflikt stehen, gemeinsam ihre Felder. Das Projekt wurde zeitweise unterbrochen. Die Rebellen selbst sind zwar nicht bis Uvira gekommen, aber auch von den Streitkräften, die Uvira schützen sollten, gingen Menschenrechtsverletzungen aus.
Frauen machen mutig weiter
Anfang April haben die Frauen beschlossen, dass sie jetzt weiter machen. «Dieses Projekt ist wie ein Wassertropfen für den Frieden. Aber es kann zu einer kleinen Welle werden. Es kann Gutes in Bewegung bringen.» Bei früheren gewalttägigen Konflikten sind oft Menschen, die aus Ruanda emigrierten, Opfer von Gewalt der Bevölkerung in Uvira geworden. Diesmal hat eine interkonfessionelle Mediation Schlimmeres verhindern können. «Sie sagen, dass das eine Auswirkung des Friedensprojektes ist».
Initiative der Kirchen
Die Katholische Bischofskonferenz und der Verband «Eglise du Christ au Congo» (zu dem auch die Methodistenkirche gehört), haben eine Initiative mit dem Namen «Sozialer Pakt für den Frieden in der DR Kongo und in der Region der Grossen Seen» ins Leben gerufen. Ziel ist es, alle nationalen und internationalen, internen und externen Konfliktparteien einzuladen, in einen Dialog zu treten. Grundlage des Dialogs ist die Ubuntu-Tradition, die in der Spiritualität der Bantu-Völker verankert ist. «Von der Bevölkerung wird diese Initiative unterstützt, doch von der kongolesischen Regierung wird sie bekämpft. Sie befürchten wohl, dass im Zuge der Friedensverhandlungen auch die Frage von demokratischen Prinzipien genauer angeschaut wird. Und das wollen sie nicht», vermutet Blanchard Ayinza Boke. Es gäbe aber bereits eine von der DR Kongo und Ruanda unterzeichnete Grundsatzerklärung, dass die Gedanken der Kircheninitiative aufgenommen werden sollten.
Keine einfachen Lösungen
Im Osten der DR Kongo ist die Bevölkerung seit Jahrzehnten Gewalt und dem Terror bewaffneter Gruppen ausgesetzt. Die Ursachen der Konflikte sind hoch komplex und haben mit dem Kolonialismus, dem Genozid in Ruanda, den Fluchtbewegungen und der Lage in den angrenzenden Ländern zu tun. Auch der begrenzte Zugang zu Ressourcen spielt eine Rolle und eine Politik, die die Bevölkerung zugunsten der jeweiligen Machtblöcke instrumentalisiert. Blanchard Ayinza Boke führte aus, wie hoch fragil die Situation in der Region der Grossen Seen ist. Es bleibe abzuwarten, ob der Vorschlag für das Friedensabkommen, das im Rahmen des Washingtoner Prozesses erwartet werde, die Fragilität der Region berücksichtigen würde. Mehrere frühere Friedensprozesse seien gescheitert.
Den Stein wegwälzen
Und wie geht es Blanchard Ayinza Boke selbst? Er lebe in einem inneren Kampf. Da sei das Ideal eines Landes, indem es sich gut leben lasse und gleichzeitig das tägliche Chaos. Der Kampf werde grösser, je besser man verstehe, was passiere und dass man ohnmächtig sei, es zu ändern. Zusammen mit anderen Menschen aus dem Kongo würde er sich die gleiche Frage stellen wie die Frauen, die am Ostermorgen zum Grab Christi gingen: «Wer wird uns den Stein, der vor dem Eingang des Grabes liegt, zur Seite rollen?» Damit meine er: Wer wird unser Land aus dem Elend und der chronischen Gewalt, die schon so lange dauert, herausführen? Wie ist es möglich, Kontrolle zu gewinnen und das Land auf einen Weg des Friedens zu führen?
Samen des Friedens säen
Trotzdem allem bleibt Blanchard Ayinza Boke. «Ich liebe dieses Land, ich habe hier meine Familie, meine Freunde». Und als Koordinator könne er in kleinem Rahmen einen Beitrag zum Frieden leisten. Er habe auch eine starke Hoffnung, die auf dem christlichen Glauben beruhe. «Gerechtigkeit, Wahrheit und das Gute werden eines Tages die Oberhand über das Böse gewinnen. Christus hat am Kreuz gesiegt.» Den 19 Zuhörenden gibt er mit, dass es wichtig sei, nicht müde zu werden, zu glauben und eine gerechtere Welt aufzubauen. Wir alle könnten und sollten Samen des Friedens säen.
Das Format «Connexio Mission Talk» bietet die Möglichkeit, online in direkten Kontakt mit Personen aus Partnerländern zu kommen. Im nächsten Mission Talk vom 24. Juni, von 19.30 Uhr bis 20.30 Uhr, gibt Vladimir Fazekas Einblick in die Situation in Serbien. Seit Monaten demonstrieren viele Menschen heftig für mehr Transparenz und Gerechtigkeit. Wie kann die Kirche Hoffnung verbreiten und Gutes tun? Wer an diesem Gespräch, das auf Deutsch sein wird, teilnehmen möchte, bekommt den Zoom-Link bis eine Stunde vor Beginn bei Urs Schweizer
Den Frieden fördern
In Süd-Kivu setzen sich Menschen aus verschiedenen ethnischen Gruppen beharrlich für eine friedliche Koexistenz ein: Mit Mediationen zwischen Familien und Einzelpersonen, mit Radiobotschaften gegen Hass, mit Seminaren, oder indem sie gemeinsam Felder bebauen. Weitere Informationen
Ermöglichen Sie Friedensarbeit!
