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«Frieden heisst: ich anerkenne das Gute im andern»

3. Oktober 2024

Silvia Marillán Romero ist Agronomin, Mapuche und Methodistin. Seit April 2023 koordiniert sie das Friedensprojekt der Methodistenkirche in Nueva Imperial, Chile – eine anspruchsvolle Aufgabe. Sie erzählt, was sie dazu motiviert, was Frieden für sie heisst und welcher Rat ihr in schwierigen Zeiten geholfen hat.

Silvia Marillán Romero wohnt im Süden von Chile, etwa zehn Kilometer von der Stadt Nueva Imperial entfernt und nahe bei ihrer Familie. In diesem Gebiet, Araucaria, kommt es immer wieder zu heftigen Konflikten und Gewalt zwischen den Siedlern, dem chilenischen Staat und der indigenen Mapuche-Bevölkerung. Dabei geht es oft um Zuteilung von Land und Wasser und um Diskriminierung der Mapuche.

Friedensprojekt in Chile

Connexio develop unterstützt das Friedensprojekt finanziell und durch den Einsatz von Flavia Contreras und Roman Gnägi.
Das Projekt der Methodistenkirche will Dialoge zwischen der indigenen Mapuche-Bevölkerung und den chilenischen Siedlern ermöglichen. Es stärkt zudem Frauen und Führungspersonen der Mapuche-Gemeinschaften. Dies geschieht mit Workshops, der Begleitung von gewaltbetroffenen Menschen, Rechtsberatung und Kleinprojekten, die zum Einkommen beitragen. Es wird auch Raum geschaffen, um die eigenen Traditionen zu erhalten.

In einem Klima der Angst

Es herrscht ein Klima der Angst, des Misstrauens und der gegenseitigen Vorurteile. Die Fronten sind verhärtet. Gemeinsam mit ihrem engagierten Team besucht Silvia Marillán Romero Mapuche-Familien in den Dörfern, unterstützt in Notsituationen und vermittelt Rechtshilfe. Das Team initiiert Projekte wie Gemeinschaftsgärten und kleine Unternehmensgruppen. Damit wird die Mapuche-Gemeinschaft gestärkt. Silvia Marillán Romero nimmt auch am Dialogprozess der Konfliktparteien teil, den die Methodistenkirche mit initiiert hat und ist Vermittlerin in Gesprächen, die der Staat organisiert. Gerade hat sie ein Seminar der vereinten Nationen in Chile besucht: Vertreterinnen und Vertreter von indigenen Völkern aus mehreren Ländern teilten dort ihre Erfahrungen zu eigenen Friedensprozessen.

 

Sich selbst und andere anerkennen

Was braucht es zum Frieden? Die junge Frau ist überzeugt: «Es geht zuerst darum, sich selbst zu kennen, seine eigenen Themen und Konflikte. Sich selbst zu anerkennen, auch.» Dann gehe es darum, andere zu anerkennen, zu respektieren. Und üben, trotz Differenzen zusammen zu sein und das Gemeinsame zu sehen. «Die Sicht und der Glaube des anderen sind gleich viel wert. Es ist wichtig, das Gute im anderen zu erkennen. Wenn man andere so anerkennt, dann beginnt der Friede.» Es sei wichtig, nicht das eigene Interesse zu suchen, sondern das Wohl des Ganzen, der Gemeinschaft, die wie in einem Haus zusammenwohne. Zur Gemeinschaft hätten alle etwas Positives beizutragen, dann könne sie auch wachsen.

Von klein auf Achtung gelernt

Aufgewachsen in einer Pfarrersfamilie, hat die Haltung der Eltern Silvia Marillán Romero geprägt: «Es war ihnen wichtig, Menschen zu begleiten, egal, ob sie in der Kirche sind oder nicht. Ich habe von klein auf gelernt, dass man seine Arbeit gut macht, unabhängig davon, mit welchen Menschen man zu tun hat und um welche Arbeit es geht. Das war meine soziale Bildung, zusätzlich zur Ausbildung als Agronomin.» Mit der Spiritualität der Mapuche aufzuwachsen und Methodistin zu sein, ist für sie kein Widerspruch. «Die Mapuche-Kultur hat mir geholfen, Gott in allen Bereichen des Lebens zu erkennen, vor allem auch in der Natur. Es ergänzt sich. In meiner Kultur reden wir vom «gut leben, wohl sein», im christlichen Glauben reden wir von «Leben in Fülle».

Silvia Marillán Romero (rechts) mit Flavia Contreras, Länderkoordinatorin

 

 

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Gute Zuhörerin

Silvia Marillán Romero ist gerne in den Dörfern und die Menschen dort sagen, dass sie sehr gut zuhören und andere begleiten kann. Es ist ihr wichtig, mit diesem Projekt andern zu dienen und ihren Glauben und ihre sozialen Fähigkeiten für sie einzusetzen. Sie möchte auf die Menschen zugehen, sie einbeziehen und wertschätzen und zu deren Wachstum beitragen. Dafür will sie auch mit den Familien in den Dörfern neue Arbeitsstrategien suchen. Sie hat ihre Aufgabe sehr motiviert begonnen. Dann hat sie nach und nach gemerkt, dass es auch Schwierigkeiten gibt.

 

Schwere Last und guter Rat

«Manchmal fühlt es sich an, wie eine schwere Last zu tragen», meint sie. Einiges läuft nicht so, wie sie es erwartet hat. «Die Projektbeteiligten finden am Anfang: Oh, wir bekommen jetzt etwas.» Sie habe lernen müssen, dass die Personen unterschiedliche Charaktere hätten und sie mit den einen klarer kommunizieren müsse, was sie von ihnen brauche. «Ich bin in solchen Situationen eher «passiv» und habe nicht so gern Konflikte.» Ihr Vater habe ihr geraten, dass sie sich überlegen solle, was ihr wichtig sei, was ihre Absicht, ihr Ziel und ihre Linie seien. Er habe ihr auch gesagt: «Es gibt vieles, das kannst du nicht direkt beeinflussen.»


Neues anpacken und sich erholen

Unterdessen ist sie sicherer und präziser geworden, kann besser mit Konflikten umgehen und Schwieriges klarer ansprechen. Das Friedensprojekt zu koordinieren, bleibt anspruchsvoll und komplex. Im Team haben sie die Aufgabenbereiche neu verteilt und im Projekt möchten sie stärker darauf achten, dass sie den Menschen nicht Dinge abnehmen, sondern sie befähigen. Erholung findet Silvia Marillán Romero, wenn sie mit der Familie zusammen ist. «Und Kochen und mit meinen drei Hunden und meiner Katze spielen, das tut mir gut. Und im Garten und überhaupt in der Natur sein.»

 

Nicole Gutknecht, Connexio develop / Quellen: Interview von Flavia Contreras und Roman Gnägi mit Silvia Marillán Romero und Zwischenbericht von Silvia Marillán Romero.       Alle Fotos von Roman Gnägi