Den Kreislauf der Gewalt durchbrechen
20. September 2024
Im Osten der Demokratischen Republik Kongo wüten seit Jahrzehnten blutige Kämpfe. Die Menschen befinden sich in einer Spirale aus Gewalt, Hass und Hunger. Wie ist Frieden möglich? Ist er unter diesen Umständen überhaupt möglich? Die Methodistenkirche und Connexio develop sind trotz allem vor Ort und leisten einen Beitrag dazu.
Seit über 30 Jahren herrscht im Ostkongo Krieg. Es kommt zu Gräueltaten an der Zivilbevölkerung: Vergewaltigungen, Vertreibungen, Tötungen, Zwangsrekrutierung von Kindern.
Die Ursachen für die andauernden Kämpfe sind komplex und reichen weit zurück. Faktoren sind die Nachwirkungen des Kolonialismus, interethnische Auseinandersetzungen mit aus Ruanda geflüchteten Menschen, der Ressourcenkampf um Gold, Diamanten, Kupfer, Kobalt, Coltan und Zink. Hinzu kommen eine schwa-che Regierung, kaum vorhandene staatlichen Strukturen und eine politische Elite, die sich an den Konflikten bereichert.
Friedensförderung als Basisbewegung
Im gesamten Ostkongo ist die Lage instabil. Besonders die Provinz Nord-Kivu und die Stadt Goma sind betroffen. Connexio develop konzentriert sich in der Zusammenarbeit auf die Gegend um Uvira, in der Provinz Süd-Kivu. Dass sich die Friedensförderung auf diese Provinz fokussiert, ist lokalem Engagement zu verdanken: Einige wenige Menschen begannen, sich friedlich für eine Lösung des Konflikts einzusetzen. Sie baten Bischof Gabriel Yemba Unda, den leitenden Bischof der United Methodist Church im Ostkongo, um Unterstützung. So kam es zu der Zusammenarbeit mit Connexio develop.
Frieden muss auf kommunaler Ebene beginnen, sagt Blanchard Ayinza Boke, Landeskoordinator von Connexio develop in der DR Kongo. «Gemeinsam mit den Menschen vor Ort arbeiten wir an friedliche Beziehungen zwischen den Gemeinschaften. Wir hoffen, Bedingungen für die Zukunft zu schaffen, um den Konflikt auf höherer politischer Ebene lösen zu können.»
Traumatisierte Generationen
Auch in Süd-Kivu haben sich verschiedene Rebellengruppen gebildet, die die Gegend kontrollieren und terrorisieren. Für viele Menschen in dieser Region ist Frieden nur ein Wort. Sie leiden Hunger und fürchten jeden Tag um ihr Leben. Sich ein anderes Leben vorzustellen, fällt schwer. Viele Kinder sahen, wie ihre Eltern getötet wurden. Sie kennen oft nichts anderes als ein Leben im Krieg. Die einzige Option scheint vielen, selbst einer Rebellengruppe beizutreten. Dieser Zustand lässt die Menschen traumatisiert zurück. Und diese Traumata beeinflussen ganze Generationen.
Kunst als Friedensvermittlerin
Ein Projektteam, das von Connexio develop unterstützt wird, veranstaltet regelmässig Workshops und Weiterbildungen. Hier lernen die Teilnehmer:innen Methoden zur Konfliktbewältigung und organisieren dann selbst Massnahmen für eine Sensibilisierung. Ein Teil der Workshops nähert sich dem Thema Frieden künstlerisch an: Gruppen verschiedener Ethnien erarbeiten Rollenspiele, in denen sie zeigen, wie sie Konflikte lösen. Ein weiterer Teil sind die Frauenchöre, die ihre Friedensbotschaften singend weitertragen. Sie treten vor allem zu besonderen Anlässen auf. 2023 veranstaltete das Projektteam einen «Tag des Miteinanders», der gemeindeübergreifend stattfand. Dort wurden die Sketche und Lieder aufgeführt.
Hört hin!
Lokale Radiostationen sind in der DR Kongo ein wichtiges Medium. Deshalb werden sie vom Projektteam für ihre Sensibilisierungskampagnen genutzt. In den Beiträgen wird über den Schutz und die Würde aller Menschen aufgeklärt und zu Ächtung von Gewalt aufgerufen. Die Radiospots, die in verschiedenen Sprachen wie zum Beispiel Suaheli, ausgestrahlt werden, erreichen über 3 000 Hörer:innen.
Gemeinsam Frieden säen
Eine der grössten Auswirkungen des Krieges ist die anhaltende Mangelernährung. Die Rebellengruppen verhindern Nahrungsmitteltransporte. Oft stehlen sie Nahrungsmittel direkt von den Feldern oder überfallen Dorfgemeinschaften und plündern Essen.
Daher unterstützt Connexio develop die AgroPax-Initiative. 80 Frauen und Mädchen aus verschiedenen Gemeinschaften sind in Gruppen organisiert und bewirtschaften zusammen Felder. Begleitet von Agronom:innen und Projektverantwortlichen der Methodistenkirche säen und ernten sie, besprechen, wie sie die Erträge verwenden und bilden einen Spar- und Kreditverein. Zudem ziehen sie auch Vieh auf. Durch gemeinsame Feldarbeit erhöhen sie somit nicht nur ihre wirtschaftliche Sicherheit, sondern stärken auch die friedliche Koexistenz: Miteinander an der Zukunft zu bauen, stärkt die Hoffnung auf Frieden.
Ist es genug?
Auf die Frage, ob die Arbeit der Methodist:innen und Connexio develop ausreichend sei, antwortet Blanchard Ayinza Boke, dass mehr getan werden könnte. «Wir müssten noch mehr Gemeinschaften einbeziehen. Viel mehr Menschen müssen auf lokaler Ebene zusammenkommen, gemeinsam reden und dann beschliessen, dass es sich lohnt, sich für den Frieden einzusetzen.»
Ein weiterer Punkt sei, die Leute in den westlichen Staaten dafür zu sensibilisieren, wie ihr Verhalten sich auf die Lebensbedingungen der Bevölkerung in der DR Kongo auswirkt. Blanchard spricht von «Blutmineralien», wenn er von den Bodenschätzen seines Landes spricht: «Konzerne kaufen Rohstoffe wie zum Beispiel Coltan, das wichtig für Tech-Unternehmen ist, günstig beispielsweise in Ruanda. Dorthin wird es von den Rebellengruppen gebracht. Wenn diese Unternehmen ihre Rohstoffe legal und zu fairen Bedingungen in der DR Kongo kaufen würden, würden sie den Rebellen die wichtigste materielle Grundlage entziehen. Dann könnten diese ihre Kämpfe nicht mehr finanzieren.»
Connexio develop, Zürich, CH44 0900 0000 1574 7157 9
Blick in die Zukunft
Was die Methodist:innen in der DR Kongo tun, mag klein erscheinen. Ihr Einsatz beendet den Konflikt nicht gleich morgen. Connexio develop und die Methodistenkirche sind zudem kleine Player inmitten dieser Krise von grosser Dimension. Ihre Arbeit beschränkt sich auf eine Region. Doch sie sind vor Ort. Sie schauen hin, hören zu und entwickeln gemeinsam mit den Menschen, die dort leben, Aktionen, um Frieden zu schaffen. Menschen, die an diesen Projekten beteiligt sind, egal auf welcher Seite, vertrauen darauf, dass ihre Bemühungen und Hoffnungen belohnt wer-den.
Danka Bogdanovic / Connexio develop
Beitragsbild: In Rollenspielen zeigen die Teilnehmer:innen positive Strategien zur Kon-fliktbewältigung. (Foto: Jean-Paul Dietrich, privat)