
«Das mit den Blumen für die Frau des Bischofs war so schön!»
4. Juli 2023
Mery Kecaño Salvador und Gisela Calcina Diaz waren vom 14. bis 26. Juni in der Schweiz zu Gast. Die beiden Bolivianerinnen erzählen, welcher Moment sie an der Jährlichen Konferenz (Synode) bewegte, wie sie dank eines Stipendiums neue Räume betreten und wo ihr Lieblingsort in der Schweiz ist.
Die 26-jährige Mery Kecaño Salvador hat ihre Ausbildung zur Informatikerin vor zwei Jahren abgeschlossen und unterrichtet Kinder und Jugendliche in Informatik.
Beide profitieren von einem Stipendium, das das Frauenwerk der Methodistenkirche in Bolivien an mittellose junge Frauen vergibt.
Ihr seid beide aktiv in der Methodistenkirche in Bolivien. Worin gleichen sich Konferenzen in der Schweiz und in Bolivien? Was ist anders?
Gisela: Gleich ist der Gottesdienst, Anstehen vor dem Essen – und die Unterkünfte sind wie bei uns.
Mery: Es gibt auch Delegierte. Wir singen auch in zwei Sprachen, in Aymara und Spanisch.
Gisela: Aber bei uns kommen die Lieder hintereinander. Anders ist, dass bei uns im Gottesdienst die Autoritäten alle ganz vorne sitzen, um den Bischof zu schützen.
Mery: Hier schauen sie immer wieder nach der Uhr.
Gisela: Bei uns reden die Leute gern. Sie kommen nicht sofort, wenn gerufen wird.
Mery: Anders ist die Verabschiedung des Bischofs. Das mit den Blumen, die er einsammelte und seiner Frau gab, war emotional und sehr schön.
Gisela: Ja, das war wunderschön. Wir überlegen, ob wir es bei uns jetzt auch so machen wollen, wenn wir jemanden verabschieden.
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Ihr kommt beide vom Land und musstet für das Studium allein nach La Paz ziehen – ein ganz fremder Raum. Wie war das für euch?
Mery: Sehr schwierig. Es gibt viele Autos. Und da ist die Kriminalität. Auch der Lernstoff war manchmal fremd.
Gisela: Für mich war es auch schwierig. Ich habe mich oft verlaufen: Wo bin ich jetzt? Oder ich vergesse, den Kopf zu drehen und auf die Autos zu achten. Ich bin eher scheu und es ist so laut. Und wir vom Land werden diskriminiert. Das gefällt mir bei euch, ihr behandelt alle gleich.
Gibt es auch Frauen, die das Studium abbrechen?
Gisela: Ja, recht viele. Weil sie Kinder versorgen oder noch arbeiten daneben. Oder die Miete nicht zahlen können.
Mery: Auch weil sie einsam sind und sich verloren fühlen. Die Familie fehlt ihnen.
Was findet ihr schön am Studieren?
Gisela: Überhaupt studieren zu dürfen. Ich bin so dankbar dafür. Und wenn eine Prüfung bestanden ist.
Mery: Das Examen zu machen, ist schön. Und mit Freundinnen zusammen zu sein.
Habt ihr frei wählen können, was ihr studiert? Und waren eure Eltern einverstanden?
Gisela: Ich wollte eigentlich zum Militär wie meine Schwester. Doch sie hat mir abgeraten: «Mach es nicht! Es ist zu hart.» Mein Vater ist einverstanden mit meinem Studium als Kindergärtnerin. Sonst wäre es schwierig.
Mery: Ich wäre am liebsten Lehrerin geworden. Aber das dauert sehr lange. So habe ich Informatikerin gewählt. Ich repariere gerne Computer. Auch meine Eltern stehen hinter mir.
Welche Weiterbildungen interessieren dich?
Mery: Ja, noch das Studium als Lehrerin zu machen. Oder Rechtswissenschaft, das wäre auch spannend. Aber zuerst muss ich Geld verdienen.
Mery, du hast erzählt, dass du sehr viele Bewerbungen schreiben musstest und dass Männer leichter eine Stelle finden. Warum ist das so?
Mery: Männer wählen lieber Männer.
Gisela: Wenn Frauen kommen, denken sie: Die bringen ihre Kinder mit. Und sie fürchten, dass die Frauen ausfallen. In Bolivien gehört die Frau immer noch zu den Kindern.
In diesen Tagen habt ihr viele Orte kennen gelernt. Wenn ihr eurer Familie einen Ort zeigen könntet; welcher wäre das?
Mery: Die Berge, die Stadt Zürich, am liebsten alles. Aber wenn ich nur einen Ort wählen kann: die Berge, mit den Kühen.
Gisela: Ich finde, eure Tiere sind grösser als bei uns, die Schafe, die Kühe, die Ziegen. Die haben hier unbegrenzt Futter. Mir haben viele Orte gefallen und ich kann mich immer so schwer entscheiden. Also, ich wähle den Rheinfall.
Was möchtet ihr uns noch gerne sagen?
Gisela: Ich bin hier sehr glücklich gewesen. Mir haben die Berge gefallen und die Häuser aus Holz, alles. Die Autos halten an und hupen nicht. Ihr habt immer für uns gesorgt, für Wasser und für Essen. Ich danke euch für das Stipendienprogramm, das eröffnet mir ganz neue Möglichkeiten. Gott möge euch weiter begleiten und vor dem Stürzen bewahren.
Mery: Danke, dass ich hier sein durfte. Es war sehr, sehr schön. Ich habe viele Menschen gesehen und Orte und Tiere. Es war besonders schön, den Bischof und alle Delegierten kennenzulernen. Ich hatte immer den Wunsch, die Schweiz zu sehen, nun ist mein Traum schon erfüllt. Und die Leute sind freundlicher, als ich erwartet habe. Hier ist man sicher und muss nicht Angst haben, ausgeraubt zu werden. Danke euch allen. Wir in Bolivien beten für euch.