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Connexio develop unterstützt den Wiederaufbau in Syrien

24. April 2023

Die Lage in den Erdbebengebieten in der Türkei und Syrien ist weit in den Hintergrund gerückt. Für die Leute in Aleppo hat sich indes die Lage nur wenig verändert. Connexio develop unterstützt erste Schritte in Richtung Wiederaufbau.

Die methodistische Pfarrerin Anna Shammas, die selbst aus Syrien in die Schweiz gekommen ist, organisiert zusammen mit Connexio develop, der Organisation für Entwicklungs­zusammen­arbeit der Methodist:innen in der Schweiz, seit dem Erdbeben Unterstützung für die betroffenen Personen. Bekannte vor Ort berichten ihr immer wieder, wie die Lage aktuell ist. Vor allem mit einer pres­by­teria­nischen Kirchgemeinde in Aleppo ist sie eng verbunden.

Behördliche Kontrolle

«Das erste Chaos ist vorbei», sagt Anna über die aktuelle Lage in der Stadt. Vieles sei nun «mehr organisiert», was nicht zuletzt bedeute, dass die örtlichen Behörden stärkere Kontrolle ausüben. «Wenn man Geld geben will, sagen sie: Gut, aber nur durch uns!» Nur wenige Organisationen könnten unabhängiger agieren, etwa der Rote Halbmond, der selbst eine staatliche Organisation ist.

Die Wände in vielen Gebäuden haben Risse. (Foto: zVg via Anna Shammas)

Einstürzende Gebäude

Prekär ist weiterhin der Zustand der Gebäude. «Viele Gebäude haben Risse», erzählen die Kontaktpersonen von Anna. Täglich würden Gebäude einstürzen. «Vor wenigen Tagen zum Beispiel, da ist ein riesig grosses Gebäude einfach zusammengeklappt.» Anna Shammas kannte das Gebäude. Nun habe ihr Pastor Ibraim, der Pfarrer der pres­by­teria­nischen Kirche, ein Bild von den Trümmern geschickt. «So etwas geschieht jeden Tag!»

Wieder Lehrbetrieb in den Schulen

Bislang wurden viele Schulen als Notunterkünfte genutzt und als Orte, an denen die Leute Kleidung und Nahrungsmittel erhalten konnten. «Doch nun haben die Behörden angeordnet, dass die Schulen nicht mehr so genutzt werden dürfen.» Begründet wird das mit der notwendigen Ausbildung der Kinder. «Die Kinder sollten wieder zur Schule gehen können.»

Personen, die sich bislang in diesen Schulen aufgehalten haben, mussten die Gebäude also verlassen. Doch wohin? «Die, die nichts mehr haben, sind irgendwo geblieben. Leute, die noch eine Wohnung haben, sind oft wieder in ihre Wohnung zurück.» Doch das sei riskant.

Lebensgefährlicher Wohnraum

So zum Beispiel Ani. Ihre Wohnung befindet sich im 4. Stock. Sie habe sich nach dem Erdbeben nicht getraut, wieder in ihre Wohnung zu gehen, erzählt Anna. Das Gebäude sei beschädigt. «Wenn etwas geschieht, hat sie nicht genügend Zeit nach unten und wieder aus dem Haus zu rennen!» Ein Bekannter von ihr hat die Frau und ihre Tochter kürzlich besucht und war erschrocken darüber, wie stark das Gebäude beschädigt ist. «Überall sieht man Risse, auch innerhalb des Gebäudes. Niemand weiss, was da geschehen kann!»

Unbewohnbar oder renovierbar

Ingenieure, die im Auftrag der Stadt oder auch von Kirchen oder anderen Institutionen arbeiten, seien im Moment daran, die Gebäude zu kategorisieren. Es gibt drei unterschiedliche Farben: Rot bedeute, dass Gebäude zerstört seien. Ein Neubau ist nötig. Orange markierte Gebäude seien stark einsturzgefährdet. Grün markiert würden Gebäude, die eine Renovation benötigen, dann aber wieder bewohnbar seien.

Nothilfe Erdbeben Türkei und Syrien
Insgesamt sind CHF 96 000 an Spenden für die Nothilfe für die vom Erdbeben betroffenen Menschen in der Türkei und Syrien sind bei Connexio develop, der Organisation für Entwicklungszusammenarbeit der Methodistenkirche in der Schweiz, eingegangen. «Wir bedanken uns ganz herzlich für dieses grosse Zeichen der Solidarität», sagt Ulrich Bachmann, Leiter von Connexio develop.
Mit den Spenden leistet Connexio develop einen Beitrag an die Nothilfeaktivitäten in der Region Aleppo in Syrien. Schon vor dem Erdbeben war die humanitäre Situation im Nordwesten von Syrien und insbesondere in der Region Aleppo sehr angespannt. Über 15 Millionen Menschen in Syrien benötigten bereits humanitäre Hilfe.
Die UN schätzt, dass allein in Syrien 8.8 Millionen Menschen vom Erbeben betroffen sind. Aufgrund der sehr unsicheren Lage ist ein Wiederaufbau in Syrien äusserst schwierig. Die humanitäre Hilfe versucht in erster Linie, Leben zu schützen und die Resilienz der Menschen zu stärken.
Connexio develop arbeitet einerseits mit der Pres­by­teria­nischen Kirche in Aleppo und andererseits mit All We Can, der Entwicklungs- und Nothilfeorganisation der Methodisten in England und deren internationalen Partnern zusammen. Nebst Lebensmittelpaketen werden Hygieneartikel an die betroffenen Familien abgegeben und Choleraprävention in der Erdbebenregion sowie psychosoziale Unterstützung für die vom Erdbeben direkt betroffenen Menschen angeboten. Insgesamt sind bereits CHF 65 000 der eingegangenen Spendengelder eingesetzt worden.

Renovationen unterstützen

Erneut konnte Anna in Zusammenarbeit mit Connexio develop über die persönlichen Kontakte zur pres­by­teria­nischen Kirche organisieren, dass Spendengelder von Connexio develop direkt nach Aleppo und zu den Betroffenen gelangen. «Ein grosser Teil der Mittel dieses Mal war für Renovationen solcher grün gekennzeichneten Gebäude bestimmt», sagt sie. Dabei gehe es zum Beispiel darum, Wasserleitungen zu reparieren oder durch bauliche Massnahmen die Stabilität der Gebäude sicherzustellen.

Medizinische Hilfe ermöglichen

Ein weiterer Teil des Geldes ging wieder an ein kleines Spital. «Durch das Erdbeben waren dort viele Geräte und Einrichtungsgegenstände zerstört worden. Mit dem Geld konnten sie einiges wieder reparieren – etwa das Ultraschallgerät und andere Dinge für die Frauenklinik.» Auch Medikamente und Behandlungskosten könnten mit diesem Geld bezahlt werden.

Hilfe mit Einschränkungen

Daneben wurden mit einem weiteren Teil der Spendengelder wieder Lebensmittel gekauft. Hier sei inzwischen durch die stärkere Kontrolle der Behörden der Handlungsspielraum etwa der pres­by­teria­nischen Kirche stark eingeschränkt. «Sie können jetzt nicht mehr an Orte gehen, an denen Leute im Freien leben – um dort essen zu verteilen.» Das gehe nur noch über die Behörden. Und das würde bedeuten, dass ein Teil der Spendengelder gar nicht mehr bis zu den Notleidenden käme.

Lebensmittel verteilen

«Was aber weiterhin möglich ist und die Leute von der Kirche auch machen: Vor der Kirchentür wird jeden Tag ein warmes Essen gekocht oder bestellt. Da stehen die Leute dann in langen Reihen an.» Die Lebensmittel seien sehr teuer geworden, berichten Annas Bekannte. «Ein ganzer Monatslohn, reicht für zwei oder drei Kilogramm Fleisch.» Und die zum Kochen  benötigten Gasflaschen seien sehr teuer – für viele Leute schlicht unbezahlbar.

Fluchtgedanken

Die unsichere Situation hinterlasse Spuren bei den Leuten. «Die Leute haben Angst.» Wenn irgendwo wieder etwas einstürze, löse das Panik aus. Und noch etwas habe sich geändert. «Viele denken laut darüber nach, das Land zu verlassen», sagt Anna. Noch nie hätten so viele Leute davon geredet, wie jetzt. «Aktuell können sie nicht gehen. Aber alle sagen: ‹Nur weg, nur weg!› Sie sind sehr, sehr müde.»

Möglichkeiten nutzen

Anna steht im regen Austausch mit Leuten in Aleppo. Wie ist es für sie selbst und ihren Mann, wenn sie von dieser verzweifelten Lage hören? – «Einerseits ist es schwierig», sagt sie, «da kommt immer die Frage auf: Gott, warum sind wir hier und die dort – und warum ist es nicht umgekehrt?»

Zugleich fragt sie: Was können wir tun? – Und sie können etwas tun! «Wir sind sehr, sehr dankbar, dass wir nicht zu den Machtlosen gehören. Wir haben hinter uns ganz viele liebe Menschen, die uns vertrauen und es möglich machen, dass wir den Leuten immer wieder Geld zukommen lassen können.»

Doppelter Vorteil

Insofern sieht sie darin, dass sie die Hilfe von hier aus mitorganisiern kann, einen doppelten Vorteil. Einerseits seien sie hier eingebunden in die methodistische Kirche und in das Netzwerk von Connexio develop. Andererseits ermöglichten die persönlichen Kontakte dort eine Freiheit gegenüber allen «offiziellen» Wegen, bei denen oft grosse Teile der finanziellen Hilfe auf der Strecke bleiben.

Diese Möglichkeit, mittels persönlicher Kontakte zu helfen, sei der beste und ehrlichste Weg, ist Anna überzeugt. «Wir ermöglichen, dass Hilfe direkt zu denen gelangt, die in Not sind.»

Sigmar Friedrich, EMK Schweiz
Beitragsbilder: Der Einsturz eines grossen Gebäudes erregt aufsehen. Viele Gebäude haben Risse in den Wänden und müssen stabilisiert werden. (Fotos: zVg via Anna Shammas)