
Weg von Coca-Cola, hin zum eigenen Salat
3. April 2023
In den «Familiengärten» der Methodistenkirche in Bolivien bauen Familien eigenes Gemüse an und wollen so ihre Gesundheit verbessern. Wie gelingt das? Eine Familie erzählt von harten Böden und Erntefreuden, von Pflanzen pickenden Hühnern – und von Kindern, die Gemüse mögen.
«Heute haben 16% der Bevölkerung in Montero Diabetes», sagt Monika Brenner. Sie koordiniert die Projekte in Bolivien von Connexio develop, der Organisation für Entwicklungszusammenarbeit der Methodistenkirche in der Schweiz. «Ein Grund dafür ist, dass statt Wasser meist gesüsste Getränke wie Coca-Cola konsumiert werden. Viele Erwachsene haben sich nie ausgewogen ernähren können.» Das Projekt «Familiengärten» der methodistischen Kirche könnte das ändern.
Lieblingsgemüse
Carlos mag am liebsten die Rüebli, Julio die Tomaten und Noella die Zwiebeln. Grossvater Hugo hat alles Gemüse sehr gerne, weil es gesund ist. Aus ihrem eigenen Garten kommen die Tomaten, aber auch Yuca, Bananen und Peperoni. Die drei Kinder haben ihrer Mutter Naomi und ihren Grosseltern Silvia Tomicha Rosales und Marcial Hugo Céspedes Campo geholfen, den Garten anzulegen, zu bepflanzen und zu pflegen.
Mit Hacke und Giesskanne
Die Erde ist fruchtbar, doch sehr hart. «Die schwierigste und strengste Arbeit war, den Boden mit der Hacke zu bearbeiten und zu lockern und alles Unkraut zu entfernen», berichten die Grosseltern. Ebenfalls anstrengend sei das Bewässern gewesen. Es gäbe zwar eine Bewässerungsanlage mit einer Pumpe, aber diese sei nicht immer in Betrieb. So schleppt die Familie viele Giesskannen, damit die Pflanzen genug Wasser bekommen. Doch die Mühe wird belohnt!
Gute Ernte und neue Pläne
«Das Schönste ist immer die Ernte. Es bewegt uns zu sehen, was alles gewachsen ist», erzählt Silvia Tomicha Rosales. Ebenfalls eine schöne Arbeit sei es, Küchenkräuter zu pflücken, die sie für verschiedene Gerichte brauchten. «In diesem Jahr möchten wir gerne Kartoffeln setzen, das kennen wir noch nicht. Aber wir möchten auch wieder die bisherigen Gemüsesorten anpflanzen, weil wir das schon gelernt haben», meint ihr Mann. Die Familie arbeitet im Gemeinschaftsgarten mit, hat aber auch einen eigenen Garten bei ihrem Haus angelegt und setzt ihr Wissen dort um.
Pickende Freilandhühner
Das Terrain der Familien ist nur mit einem Drahtzaun abgegrenzt. So kommen die Hühner der Nachbarn und picken an den jungen Pflanzen. Die bolivianischen Hühner sind eben zu 100% Freilaufhühner! Das bereitet den Familien Schwierigkeiten. Gelegentlich kommen auch Kühe und fressen genüsslich die Pflanzen oder trampeln manches nieder, nachdem sie den Drahtzaun kaputt gemacht haben. Die Verantwortlichen beraten deshalb darüber, ob ein stabilerer Gitterzaun gezogen werden soll.
Die Familiengärten-Idee
Silvia Tomicha Rosales und Marcial Hugo Céspedes sind mit ihrer Familie seit sechs Jahren beim Projekt «Familiengärten» in Los Chacos dabei. Die Methodistenkirche stellt dort ein Grundstück von einer Hektare neben der Kirche zur Verfügung und tut dies seit einem Jahr auch in San Pedro. Beide Orte liegen nahe der Grossstadt Montero im bolivianischen Tiefland. Zurzeit machen 84 Personen, Kinder eingeschlossen, beim Projekt mit. Ziel ist es, dass alle Familien selbst für eine gesündere Ernährung sorgen können.
Ernährungslehre und Gartenkenntnisse
Zur praktischen Gartenarbeit kommt als zweites Element die Wissensvermittlung hinzu: Warum ist zu viel Zucker schädlich? Wie arbeiten wir mit Kompost? Wie viel Sonne braucht unser Salat? Wie machen wir Konfitüre aus überschüssigen Früchten? INCADE, das Ausbildungsinstitut für Entwicklung aus Montero, arbeitet mit der Kirche zusammen und gibt Workshops. In diesen erarbeiten sich die Familien gemeinsam Grundwissen und erhalten praktische Anleitungen, wie sie ihren Garten anlegen und pflegen können. INCADE
Kein Naserümpfen
Beim Projekt mitmachen dürfen alle, die bereit sind, im gemeinsamen Garten zu arbeiten und die Workshops zu besuchen. Die Familien an beiden Orten essen das Gemüse gerne, das sie anpflanzen. Ihre Ernährungsgewohnheiten haben sich verändert. In Los Chacos wurden bewusst auch Kinder nach ihrem Lieblingsgemüse befragt. Naserümpfen? Fehlanzeige! Alle Kinder benannten ein Gemüse, das sie besonders gerne haben.